Das Rohrdachhaus
traditionelle Dachform im Norden
Rohr (oder auch "reet") bezeichnet das an Ufern oder auf sumpfigem Gelände wachsende Schilfrohr, das vielerorts an der Küste in getrocknetem Zustand zur Dacheindeckung verwendet wird. Rohr bzw. Schilf war eines der ersten Bedachungsmaterialien der sesshaft gewordenen Menschen, besonders wegen seiner Eigenschaften als Wasserpflanze und lokalen Verfügbarkeit, denn Schilfrohr ist beispielsweise in der Region Fischland-Darß-Zingst vielerorts gewachsen.
Ein Rohrdach kann auf drei verschiedene Arten hergestellt werden: als geschraubtes, genähtes oder gebundenes Dach. Das Rohr wird in geschnürten Bündeln geliefert, auf den Dachlatten verteilt und dann so verschoben, dass die unteren Halmenden eine schräge einheitliche, durchgehende Fläche bilden. Die Wurzelenden des Schilfs zeigen zum Boden. Die erste Schicht, die sog. Traufschicht, wird unter Spannung durch die Bindung am Dach gehalten. Die Spannung erhält die sogenannte Deckung dadurch, dass die Auflagekante an der Traufe fünf bis sieben Zentimeter höher liegt als die Dachlattenebene. Bei den gebundenen und den geschraubten Dächern wird ein Haltedraht (Schacht) auf die zirka einen Meter breiten und 10–20 cm starken Lagen gelegt und durch einen geschraubten oder gebundenen Draht auf die Lage gedrückt. Mit einem Klopfbrett werden die Lagen "hochgeklopft" und in Form gebracht. Dies wird Lage für Lage bis zum Erreichen des Dachfirsts fortgeführt.
Ein Reetdach hält durchschnittlich 30 bis 50 Jahre. Abhängig ist die Lebensdauer von:
- Form und Ausführungsdetails
- Belüftung des Reetdaches
- Konstruktion des Daches
- Qualität des verwendeten Schilfrohrs
- Pflege und Wartung
Rohrdachdecker-Handwerk erfordert großes fachliches Können. Im Dezember 2014 wurde das Handwerk deshalb als eine von 27 Kulturformen in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes durch die Kultusministerkonferenz aufgenommen.